Depressionen - kann mir das einer erklären? -lang-

Ich kenne viele Menschen, die Depressionen haben, kann es aber nicht verstehen. Meine Mutter war lange Suizidgefährdet, aber wir haben nie darüber geredet.

Ich habe für mich einmal die Theorie aufgestellt, dass Depressionen schlechte Gefühle und Antreibslosigkeit sind. Da Depressionen ja vererbbar sein sollen, habe ich mich in den ein oder anderen schlechten Phasen meines Lebens auch schon gefragt, ob das jetzt nicht auch Depressionen sein könnten. Und ob der Unterschied zwischen den Leuten, die wirklich an Depressionen erkranken und jenen, die die gleichen Gefühle und Gedanken wie Depressive haben nicht einfach die Art und Weise ist, wie sie mit den Gefühlen und Gedanken umgehen.
Im Endergebnis bedeutet dies, dass Depressive sich Ihren Gefühlen hingeben, 'normale' Leute mit den gleichen Veranlagungen hingegen immer noch rechtzeitig die Kurve kriegen und dagegen ankämpfen.

Eine Geschichte, die mich aktuell zu Thema bewegt:

Mein Freund hat einen Bruder, der depressiv ist. Bei Ihm schlagen sich die Depressionen in reinem Nichtstun nieder (was ich im Gegensatz zu den Selbstmordgedanken meiner Mutter wesentlich unverständlicher finde).

Mein Freund bekam letztens eine SMS seines Bruders: 'Diese Krankheit hat mich umgebracht, vor Jahren schon und ich schmore nun in der Hölle.'

Man muss dazu sagen, er ist in Behandlung und hat ein nicht allzu schönes Elternhaus mit einem herschsüchtigen Vater und einer ebenso depressiven Mutter (wie mein Freund eben auch), kommt aber auch nicht von Ihnen los. Er gibt die Schuld seinen Eltern und dem Staat, die ihm kein Geld geben wollen, um auszuziehen. Er hat mit Mühe und Not und mit viel Unterstützung meines Freundes das ABI geschafft, ist danach aber dem Nichtstun verfallen. Vor Jahren hat mein Freund versucht, ihm eine Praktikumsstelle zu vermitteln. Diese stand auch, alles war vorbereitet, aber sein Bruder ist einfach nicht hingegangen. Dann hat er sich dieses Jahr endlich dazu entschließen können, studieren zu gehen. Philosophie sollte es sein und das auch an der nächstgelegenen Uni. Das war das einzige, worauf er sich beworben hatte - gegen die Tipps meines Freundes, er solle sich doch an mehreren Unis für mehrere Studiengänge bewerben. Aber er tat es nicht. Und es kam wie es kommen musste: Sie haben ihn nicht genommen. Das ist natürlich die Uni schuld....

Mein Freund hat die Hoffnung für seinen Bruder nicht aufgegeben, gibt ihm immer wieder Ratschläge und sagt ihm die Meinung - aber ohne Resultat.

Ich höre mir das alles an und zweifle, auch wenn ich meinem Freund da keinen Vorwurf draus machen könnte. Es ist eben sein Bruder.

Aber wenn ich für mich bin und über die Geschichten nachdenke, die mein Freund mir so von seinem Bruder erzählt, könnte ich platzen vor Wut. Nicht, weil ich böse auf meinen Freund bin, sondern sauer auf seinen Bruder. Ich denke mir dann: wieso bewegt diese faule Sau nicht seinen Arsch und ändert etwas an seinem Leben, anstatt immer den anderen die Schuld in die Schuhe zu schieben.
Ich bin damals mit 16 von zu Hause ausgezogen und hab mein Leben selbst in die Hand genommen, habe nach der Schule bis in die Nacht gejobbt, um mein Leben zu finanzieren und habe nun einen guten Job und studiere nebenbei. Mein Freund ist in dem gleichen Elternhaus groß geworden wie sein Bruder und hat sich ebenso abseilen können, studiert und hat einen guten Job.

Wenn ich dann Leute wie seinen Bruder sehe, könnte ich ausrasten:-[ Man kann doch nicht für jedes Problem, dass sich aus einem normalen Leben ergibt, seine 'Krankheit' oder sein Elternhaus vorschieben um zu rechtfertigen, wieso man das Problem nicht lösen kann.

Ich habe seinen Bruder erst einmal gesehen (wohnen 500km auseinander). Und ich bin froh, dass ich ihn nicht schon öfter gesehen habe, weil ich immer Angst hätte, mir platzt dann irgendwann der Kragen - und ich nicht so recht weiß, wie mein Freund darauf reagieren würde #gruebel

Mein Freund ist bei vielen Sachen in seinem Leben sehr kompromisslos und hat zu vielem eine sehr feste Meinung. Ich bin mir sicher, wäre er nicht sein Bruder, würde er ihn verachten. Wie er auch seine Mutter dafür verachtet, dass sie depressiv wurde, wo des Rätzels Lösung doch einfach eine Trennung gewesen wäre, die sie aber nie durchgezogen hat.

Mein Freund tut viel für seinen Bruder (aber er trägt ihm nichts hinterher, unterstützt ihn also nicht in seiner Faulheit). Vor mir gab es wohl sogar Zeiten, in denen er seinem Bruder monatlich Geld überwiesen hat. Später hat mein Freund seinem Bruder wohl vorgeschlagen: ich gebe dir jetzt kein Geld mehr, aber wenn Du jobben gehst, lege ich dir das gleiche Gehalt, was Du verdienst, nochmal obendrauf. Sein Bruder hat darauf hin aber keinen Finger gerührt....

Heute ist es so, wenn sein Bruder ihn besuchen kommen will zahlt mein Freund die Flüge und gibt ihm Taschengeld. Öfters schickt er ihm kleine Aufmerksamkeiten, die er bei ebay gefunden hat usw. 'Weil er ja sonst nichts hat, über das er sich freuen kann'.

Ich kann das nicht verstehen und finde es falsch, aber ich rede ihm da nicht rein. (Zumal meine Missgunst hier nicht deswegen besteht, weil ich mich vernachlässigt fühle - mein Freund kümmert sich rührend um mich und finanziell belasten tut ihn dies ebensowenig)

Um mal zum Ende zu kommen: In meinen Augen steht sein Bruder sich einfach selber im Weg und ist selber Schuld. M.E. gehört ihm mal kräftig der Kopf gewaschen und wenn er nach so vielen Jahren immer noch nicht schlauer geworden ist, gehört er fallen gelassen.

Was meint Ihr? Sind meine Gedanken den wirklich so abwegig? Bin ich herzlos, weil ich kein Verständnis dafür habe, wenn andere Ihr Leben nicht in den Griff bekommen? Würdet Ihr ebenso wie mein Freund mit ihm umgehen oder findet Ihr das ebenso falsch? (Wobei hier anzumerken ist, dass ich denke, dass mein Freund sich ein Stück weit selbst die Schuld gibt, weil er ihn, als er klein war, nicht genug in Schutz genommen hat).

Ich weiß einfach nicht, was ich von der Geschichte denken soll. Was denkt ihr darüber? Danke fürs zuhören#danke



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Hy Du...also zum einen kann ich nachvollziehen, dass es dich irgendwo stresst, dass dein Freund soviel Zeit und Energie in seinen Bruder investiert und dieser damit nichts anfängt.... Andererseits liegt das "einfach" auch in seiner Erkrankung.... das Thema Depression ist oft nicht einfach nachzuvollziehen. Ich als Krankenschwester habe schon sehr viele Depressive erlebt und bei allen war es irgendwie anders. Da waren die einen, die angetrieben waren und Suizid-Gedanken hatten und im Gegensatz dazu, diejenigen, die am Morgen nicht aus dem Bett kamen und auch ansonsten den ganzen Tag nicht viel anderes getan haben, ausser Grübeln und nachdenken.... für Aussenstehende "die kriegen den Finger nicht aus dem Arsch".....aber meiner Meinung nach, stecken diese Menschen wirklich in einem ganz tiefen Loch und selber kommen sie dort nicht raus. Sie haben keinen Antrieb und nichts macht für sie Sinn, deswegen lohnt es sich für sie auch nicht, irgendwas zu ändern.....

*Mein Freund hat einen Bruder, der depressiv ist. Bei Ihm schlagen sich die Depressionen in reinem Nichtstun nieder (was ich im Gegensatz zu den Selbstmordgedanken meiner Mutter wesentlich unverständlicher finde)*

zu diesem Thema kann ich nur eins sagen: Leute die antriebslos sind (sowie der Bruder deines Freundes) und dann anfangen, Antidepressiva zu nehmen, sind am stärksten suizid gefährdet. Gerade diese Leute bringen sich am ehesten selber um. Denn in der Phase der Antriebslosigkeit, haben sie auch zum Suizid nicht genug Energie, sobald sie aber Antidepressiva nehmen, werden sie aktiver, aber die ganzen negativen Gefühle und Gedanken sind trozdem noch da und plötzlich, haben sie genug Energie, sich das Leben zu nehmen.....verrückt aber wahr....hab auf einer Depressions-Station geschafft und das dort mehr als einmal erlebt.....

Ich weiss nicht wirklich, was ich dir raten soll. Ich denke, Du solltest mit deinem Freund über deine Gefühle reden...dann hat er auch die Möglichkeit, dir zu erklären, wie er zu der Sache steht und du kannst vielleicht besser nachvollziehen, warum er soviel (immernoch) für seinen Bruder tut...
Eins ist jedenfalls klar: der Umgang mit psychisch erkrankten Menschen ist oft kräftezehrend und mühsam, aber du solltest dich mit der >Erkrankung auseinandersetzen, um ein gewisses Mass an Verständnis aufbringen zu können....

Ich hoffe, ich konnte dir vielleicht etwas helfen....

LG

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in dem wort depressiev - ist das wort pressen enthalten - eigentlich heisst das wort depressiv - entpressen.


es heisst ja immer:

reiss dich zusammen - also etwas das aus den "fugen" geraten ist soll zusammen gehalten werden. und depressive menschen leben nunmal in einem rundumdruck.


sie MÜSSEN aufstehen - weil sie wach sind. sie müssen ihren tag begehen - da es nicht zu verzeihen ist ohne logisch verständlichem grund nichts zutun.

sie müssen funktionieren - es gibt keine andere möglichkeit.

nur mal ein paar wenige presspunkte im leben von depressiv "veranlagten" menschen. mit aller gewalt müssen sie für ausenstehende von denen sie lediglich gesehen werden - aber im seltensten fall verstanden - funktionieren und schön brav deren erwartungen erfüllen. sie müssen sich regelmässig dazu selber weg pressen - das eigene ich ego selbstbewustsein drücken wegpressen um funktional zu sein.

hängen lassen ist nur im geheimen und wenn es keiner sieht zugelassen - in der öffentlichkeit und gegenüber ab einer zweiten person müssen sie sich zusammenreisen. alles andere ist schlecht bis verboten.

tja - und irgendwann ist der überdruck erreicht und es fängt ein de-pressen an. hello depression! schon lange nicht mehr gesehen... aber leider ist das der punkt an dem es schon zuspät ist und die hülle das innere nicht mehr zurückhalten kann - das leider leider für andere so gesehen - drech schmutz und ekelhaftes nicht würdiges ist.


DAS ist depression wie ich sie kennenlernte und bei mir selber erkannte.

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HAllo!

Ich verstehe, dass man da irgendwann ungeduldig wird. Aber ich denke, der Verstand kann einem hier auch nicht weiter helfen. Das iwrd immer eine Frage in der Gesellschaft bleiben, warum Kinder aus dem selben Elternhaus sich total unterschiedlich entwickeln. Der eine jetzt erst recht selbstbewusst und stark wird, der andere sich absolut gehen lässt und nicht mehr hochkommt.

Ich denke, das was Du tun kannst, ist dich nochmal genau über diese Krankheit zu informieren und somit Verständnis aufrecht erhalten kannst.
Deine Energie und Kraft solltest Du für Deinen Partner aufbringen und ihm aber evtl auch eine Beratung oder Selbshilfegruppe vorschlagen, denn er kann seinem Bruder mit all seinen Liebesaktionen auch nicht heilen. Das sollte ihm bewusst sein und auch, dass er daran keine Schuld trägt, wie es seinem Bruder geht.
Ich denke, dass Dich weniger sein Bruder stört, als zu realisieren, dass dein Partner seine Hilfe jedesmal ganz umsonst gibt. Ich denke er sollte sich professionelle Ratschläge holen, wie er mit so einer Situation als Familienmitglied umgehen kann.

Ich wünsche Euch ganz viel Kraft und alles Gute
doris

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Depressionen können bei verschiedenen psychischen Erkrankungen auftreten. Sie können alleiniges Symptom oder Teil einer komplexen psychischen Störung sein. In manchen Fällen gibt es einen konkreten Auslöser, in anderen Fällen sind die Ursachen unklar.
Symptome einer Depression sind:
Antriebsstörung, Denkstörung, Wahnhafte Störung, Warnehmungsstörung, somatische Symptome.
Das jetzt erst mal zu Depression.
Das ganze Spektrum Depression ist jedoch sehr umfassend. Das weiß ich daher, da ich Krankenschwester in einem psychiatrischem Krankenhaus bin.

Ich würde jetzt sagen: deine Mutter (mit Suizidgefährdung) hatte eine richtige, reine Depression. Der Bruder deines Freunde scheint keine reine Depression zu haben. Ich bin kein Arzt, aber ich denke, so von dem was du geschildert hast, dass der Bruder eine Depression bei schizoaffektiver Psychose hat. Es gibt sehr viele die so etwas haben. Richtig verstehen kann ich das auch nicht wie das kommt, ist zum Teil auch noch nicht in der Medizin geklärt!
Habe gelesen, dass er mit Mühe und Not sein Abi gepackt hat, das packen viele noch, doch viele schaffen dann nicht einmal mehr eine Ausbildung die für Realschüler geeignet ist.
Ich weiß ja nicht was für Therapien der Bruder deines Freundes schon gemacht hat. Aber er könnte doch noch mal zur Therapie gehen, auf eine offene Station vielleicht und dann versuchen anschließend eine Reha zu machen.

Wenn du noch etwas wissen willst, kannst du mich gerne auch über Email anschreiben (bin nicht so oft hier).

Lg
Judith

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Du hast keine Ahnung wovon Du redest.

Wer echte Depressionen hat, hat eine Stoffwechselerkrankung die sich im Gehirn abspielt. So wie andere Diabetis haben, eine Herzerkrankung oder einen Bandscheibenvorfall.

Wie bei jeder Krankheit gibt es Auslöser, die von außen kommen können und wie bei jeder Krankheit gehen die Betroffenen unterschiedlich damit um.

Selbst schuld

ist ein starker Ausspruch gegen jemand der krank ist.

Du solltest hoffen und beten, dass Du nie

krank wirst

oder

einen Unfall hast.

Gruß

Manavgat

6

Hallo!
Ich kann verstehen das Dich das aufregt aber ich kann mich den Kommentaren nur anschließen.
Es ist sehr schwer für Außenstehende psychische Erkrankungen zu verstehen oder einfach nach zu vollziehen.
Dein Freund kämpft tapfer aber ich bin der Meinung das die Art und Weise auf die Dauer nicht hilft.
Informiert Euch mehr und sucht professionellen Kontakt.
In erster Linie hilft es Euch und mit seinem Bruder besser um zu gehen.
Was den Bruder angeht: vielleicht wäre es gut für ihn mal einen anderen Psychologen aufzusuchen oder eine andere Therapieform zu wählen.
Gib ihn nicht auf, er hat sich die Krankheit nicht ausgesucht.
Sei froh, das Du so eine starke Persönlichkeit hast!#blume
Gruß feechens

7

Ich glaube, dass kaum jemand der Depressionen nicht selbst mitgemacht hat, weiss wie schlimm das sein kann und vor allem wie wenig man manchmal selbst dagegen tun kann.
Ich wurde vor knapp 2 Jahren auch mehrere Monate wegen Depressionen mit starken Medikamenten behandelt.
Jetzt gehts mir aber wieder richtig gut.

Wenn dein Freund seinem Bruder irgendwie was geben will, dann lass ihn das auch tun. Vielleicht braucht er das weil er ihm da nicht raushelfen kann.

Versuche es zu akzeptieren.

Liebe Grüße

8

Es tut sehr weh, so eine Meinung zu lesen, wenn man selbst an dieser Krankheit leidet...
Machst du Leuten, die körperlich krank sind und Tätigkeiten nicht ausüben können, eigentlich auch Vorwürfe, daß sie nur zu faul sind? Bist du der Meinung, daß sich geistig Behinderte nur zusammenreißen müßten und daß sie dann alles so machen könnten wie gesunde Menschen? Nein? Warum machst du dann einen Unterschied zwischen körperlichen, geistigen und seelischen Erkrankungen? Für einen Depressiven gibt es genau so wenig ein Zusammenreißen wie für einen körperlich eingeschränkten Menschen wenn die urspüngliche "Wunde" nicht geheilt ist.
Für einen Depressiven ist es eh schon doppelt so schwer im Vergleich zu den anderen beiden Gruppen, bei denen sieht man ja, daß sie nicht alles machen können, als Depressiver wird das aber nicht akzeptiert, man darf sich im Gegenteil noch anhören, daß man bloß zu faul ist und sich nur zusammenreißen müßte...solchen Leuten wünsche ich mal nur eine Woche mit dieser Krankheit, vielleicht würde das etwas Verständnis wecken.
Wobei man ja gar nicht mal alles im Leben verstehen muß, kann ich ja auch nicht, aber ich halte mich dann tunlichst mit meiner Meinung zurück anstatt Pauschalurteile wie "zu faul" abzugeben, ohne, daß ich den betreffenden Fall auch nur annähernd nachvollziehen kann...